Genussvolle Ernährung für Frühgeborene - so viel mehr als Nahrungsaufnahme

Die Art und Weise, wie Nahrung verabreicht wird, kann weitreichende Folgen auf die weitere gesunde Entwicklung von Frühgeborenen haben. Fütterstörungen sind insbesondere bei anfangs sehr unreifen Frühgeborenen ein vergleichsweise häufiges Problem. Die Kinder bewältigen vorgegebenen Trinkmengen nicht, verweigern möglicherweise sogar komplette Mahlzeiten, zeigen keine erkennbaren Anzeichen von Hunger, spucken sehr viel. 

Oft gehen diese Auffälligkeiten mit weiteren Problemen einher. Die Kinder schreien viel und schlafen schlecht. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von sogenannten Regulationsstörungen. Das kann für betroffene Familien enorm belastend werden, weiß Barbara Mitschdörfer, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes aufgrund zahlreicher Rückmeldung an der Hotline, die der Verband als Sorgentelefon für Eltern von Frühgeborenen eingerichtet hat. 

Nach Einschätzung von Expert:innen spielen vor allem erste Erfahrungen von zu früh geborenen Kindern während der anfänglichen Akutphase in der Klinik eine maßgebliche Rolle für deren weitere Entwicklung – auch was das Verhältnis zum Thema Essen betrifft. Wenn Nahrungsaufnahme zunächst stets als etwas Fremdbestimmtes und Aufgezwungenes erlebt wird und mit unangenehmen Reizen im orofazialen Bereich verbunden ist, dann bleibt das oft nicht folgenlos. 

Das kann in manchen Fällen die Kriterien für eine frühkindliche Traumatisierung erfüllen. Der Bundesverband hat daher in enger Zusammenarbeit mit einem multiprofessionellen interdisziplinären Team sogenannte Leitsätze zur Ernährung von Frühgeborenen erarbeitet.

Diese wurden auf dem diesjährigen GNPI-Kongress im Juni 2023 in Hamburg erstmals vorgestellt. Sie vermitteln wesentliche Aspekte rund um die Ernährung bei Frühgeborenen und kranken Neugeborenen. Die neuen Leitsätze verstehen sich als Handlungsempfehlungen. Beteiligt waren Vertreter:innen aus

  • der Pflege
  • der Geburtshilfe
  • der Logopädie,
  • der Neonatologie,
  • der Still- und Laktationsberatung
  • der nachstationären Begleitung von Familien
  • der Elternschaft

Die Leitsätze wollen das Bewusstsein dafür schärfen, wie komplex das Thema Ernährung von Frühgeborenen ist. Es lässt sich nicht auf förderliche Zusammensetzung von Muttermilch oder Formula-Nahrung und Fütterpläne reduzieren. Unter dem Aspekt der optimalen Ernährung ist neben Muttermilch, Still- und Laktationsförderung auch ein familienfreundliches Konzept während der Aktuphase auf der neonatologischen Station erforderlich. Dabei gilt es stets die individuellen Bedürfnisse von Kind und Eltern zu berücksichtigen. Die Autonomie der Eltern, Nahrungsart und Verabreichungsform betreffend, spielt dabei ebenfalls eine wesentliche Rolle.

Die Leitsätze können ab sofort kostenfrei als PDF-Dokument auf der Webseite des Bundesverbandes unter dem entsprechenden Projekt heruntergeladen werden. Zusätzlich zu dem Dokument ist eine umfassende Literaturliste auf der Webseite hinterlegt. Mit einem Poster im DinA 3-Format sensibilisiert der Bundesverband zudem unter dem Titel „Genussvolle Ernährung für Frühgeborene“ anschaulich für wichtige Aspekte rund um das Thema. Das Poster kann im Webshop des Bundesverbandes kostenfrei bestellt werden.

Neben einer Printversion der Leitsätze sind weitere ergänzende Materialien in Planung und werden nach Finalisierung dann ebenfalls auf der Webseite des Bundesverbandes unter dem Projekt „Ernährungsleitsätze“ abrufbar sein.