Was wir mit Freude lernen, vergessen wir nie! (Alfred Mercier)

Schule

Das Thema Schule sorgt immer wieder für Unsicherheiten im Alltag von Familien mit ehemals zu früh geborenen Kindern. Der Übergang vom Kindergarten in die Schule ist eine besondere Zeit. Diese kann einige Belastungen mit sich bringen.

Anfängliche Unsicherheiten

Bildung ist Ländersache. Damit gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung. Die Schulgesetze der einzelnen Bundesländer regeln, welche Schule ein Kind in Abhängigkeit zu möglichen Beeinträchtigungen besuchen kann. Die individuellen Bedürfnisse des Kindes sind dabei entscheidend. In der Regel haben Eltern die Wahl zwischen einer Regelschule oder einer Förderschule. Viele Landesschulgesetze sehen jedoch vor, dass die Schulbehörde unter bestimmten Voraussetzungen auch vom Wunsch der Eltern abweichen kann. Zum Beispiel, wenn die sachliche oder personelle Ausstattung an der gewählten Schule nicht ausreicht. Viele Eltern von Frühgeborenen machen sich Sorgen, wenn die Einschulung bevorsteht. Dabei gibt es immer wiederkehrende Fragen, was den Einstieg betrifft.

Rückstellung oder Einschulung?

Für die Beantwortung der Frage, ob ein Kind regulär eingeschult werden oder besser noch um ein weiteres Jahr zurückgestellt werden sollte, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum einen ist die geistige Reife ein wesentliches Kriterium. Beim Schulamt findet im Vorfeld ein entsprechender Test statt. Dieser erlaubt eine erste Einschätzung, ob das Kind den schulischen Anforderungen gewachsen sein wird. Auch das pädagogische Team aus der KITA kann neben dem Kinderarzt ein wertvoller Ratgeber sein. Sie alle kennen das Kind schon deutlich länger als die Fachkräfte, die beim Schulamt mit den Tests befasst sind. Mitunter ist ein Kind nämlich dort im Umgang mit Fremden gehemmt und kann dann eigentlich vorhandene Leistungen nicht abrufen. 

Brauchen wir eine Schulbegleitung?

Auch Kinder mit Einschränkungen haben das Recht, auf eine Regelschule zu gehen. Einige Kinder brauchen dafür Unterstützung. Auch auf diese Unterstützung haben sie ein Recht. Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter bieten diese Unterstützung. Bei der Frage nach einem Schulbegleiter kommt es auf das Maß der Beeinträchtigung des jeweiligen Kindes an. Schulbegleiter (auch Integrationshelfer oder Schulassistenten) sind eine Form persönlicher Assistenz und unterstützen Kinder mit Körperbehinderung, geistiger Behinderung oder psychischer bzw. seelischer Störung im schulischen Alltag. Sie helfen beim An- und Ausziehen, beim Gang zur Toilette, bei Motivation und  Konzentration. Sie helfen auch, wenn es Ärger gibt. Die Schulbegleitung wird meistens über einen Antrag auf Eingliederungshilfe beim örtlichen Jugendamt finanziert.

Frühgeburt thematisieren?

Viele Eltern fragen sich, ob sie die anfängliche Frühgeburt gegenüber der Schule thematisieren sollen. Das macht vor allem Sinn, wenn bereits bestimmte Auffälligkeiten festgestellt wurden, die das Kind im Alltag beeinträchtigen können. Vor allem Konzentrationsschwierigkeiten oder visuelle Wahrnehmungsprobleme und auditive Verarbeitungsstörungen sind Bereiche, die nicht auf den ersten Blick für Lehrkäfte zu erkennen sind. Daher kann es für das Kind förderlich sein, wenn die Pädagog:innen entsprechend sensibilisiert sind.

Regelschule oder Privatschule

Manche Familien entscheiden sich für eine Privatschule. Hier haben die Eltern ein großes Mitspracherecht. Sie sind aber auch stärker gefordert, was die regelmäßige Übernahme von Pflichten betrifft. Reformpädagogische Ansätze vieler Privatschulen kommen nicht nur ehemals zu früh geborenen Kindern zugute. Zu den reformpädagogischen Ansätzen gehören bspw. Montessori-Konzept oder die Walldorfpädagogik. Immer mehr Eltern entscheiden sich für diesen Bildungsweg. In altersgemischten Gruppen steht das soziale Miteinander besonders im Fokus. Auf klassische Noten wird verzichtet. Auch Sitzenbleiben im klassischen Sinne gibt es nicht. Die Zahl der Privatschulen ist seit anfang der 90er Jahre um 80 Prozent gestiegen. Der Besuch von Privatschulen ist kostenpflichtig. Die Höhe des Schulgeldes ist vom Einkommen der Eltern abhängig.  

Regelschule oder Schule mit speziellem Förderschwerpunkt?

Bei der Frage nach dem richtigen Einstieg spielt die Schuleingangsuntersuchung eine entscheidende Rolle. Hier kann man auf Grundlage von verschiedenen Testergebnissen feststellen, ob spezieller Förderbedarf vorhanden ist. Dieser kann auf Schulen mit entsprechendem Förderschwerpunkt besser ermöglicht werden. Erklärtes Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler nach Möglichkeit so weit in ihrer Entwicklung zu fördern, dass sie an die allgemeine Schule wechseln können.

Förderschwerpunkte können sein:

  • Sprachheilförderung
  • emotionale und soziale Entwicklung
  • körperliche und motorische Entwicklung
  • Sehen
  • Hören
  • kranke Schülerinnen und Schüler
  • Lernen
  • geistige Entwicklung

Später auftretende Probleme

Manche Probleme der Kinder kristallisieren sich auch erst im Laufe der ersten Schuljahre heraus. Das können bspw. Rechenschwäche (Dyskalkulie) oder Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) sein. Auch auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen, ADHS und ADS sowie Störungen aus dem Autismusspektrum sind bei ehemals sehr kleinen Frühgeborenen häufiger festzustellen.

Mehr Informationen zu einigen der genannten Auffälligkeiten haben wir in unserem Verbandsmagazin näher beleuchtet. Die entsprechenden Ausgaben lassen sich über die unten genannten Links direkt in unserem Shop aufrufen.

Dass diese Schwierigkeiten bei ehemals sehr kleinen Frühgeborenen vergleichsweise häufiger auftreten können, ist aufgrund von entsprechenden Studien bekannt. Mit gezieltem Training lassen sich diese Schwierigkeiten deutlich verbessern. Zudem besteht die Möglichkeit, einen sogenannten Nachteilsausgleich oder Notenschutz zu beantragen.

  •  Gewährt werden kann ein Nachteilsausgleich in allen Schulformen. Notwendig ist der Antrag eines Erziehungsberechtigten oder die Empfehlung der betreuenden Lehrkraft. Der gemeinsam festgelegte Nachteilsausgleich ist für den vereinbarten Zeitraum verbindlich und muss von allen Lehrkräften berücksichtigt werden. Der Nachteilsausgleich sieht mehr Zeit in Prüfungen, leichtere Aufgaben, stärkere Gewichtung mündlicher Beiträge, Verzicht auf lautes Vorlesen in der Klasse, Nutzung des Wörterbuchs in Klassenarbeiten vor.
  • Wird eine Lese-Rechtschreibstörung förmlich festgestellt und auf Antrag der Erziehungsberechtigten bzw. des volljährigen Schülers berücksichtigt, kann Notenschutz greifen. Dabei werden die Rechtschreibleistungen entweder zurückhaltend gewichtet oder nicht bewertet. Diese Abweichungen von den allgemeinen Maßstäben der Leistungsbewertung lassen sich mit Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) rechtlich begründen. Darin steht: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Welche Formen des Nachteilsausgleichs bei Lese-Rechtschreibschwäche bzw. Rechenschwäche in Betracht kommen, steht in den sogenannten Legasthenie-Erlassen der einzelnen Bundesländer. Einige Erlasse schließen Rechenschwäche ein, andere nicht. Dennoch haben Lehrer einen pädagogischen Ermessensspielraum. Sie sind zur individuellen Förderung aller Schüler verpflichtet. Dies kann auch eine individuelle Leistungsbewertung erforderlich machen.

Literatur zum Thema Frühgeborene & Schule

Hier finden Sie weitere Publikationen: 

  • Broschüre "Frühgeborene in der Grundschule" (kostenfrei)
  • gebundenes Buch (ca. 400 Seiten) "Frühgeborene und Schule - Ermutigt oder ausgebremst?", das Erfahrungsberichten von Familien und Experten beinhaltet. Das Buch kann für eine Pauschale von 5 € direkt bei uns in unserem Shop bestellt werden.